Die Erfindung Thüringer Klöße überschnitt sich mit der Etablierung einer anderen Innovation. Um die Weihnachtszeit kam es immer mehr in Mode, einen Weihnachtsbaum aufzustellen, wie man es bei manchen Familien im Gebirge gesehen hatte. Während sich im Flachland nur die Reichen einen Weihnachtsbaum leisten konnten, hatte man im Gebirge genug Bäume vor der Tür und es war schnell bei allen Familien Brauch, einen Baum aufzustellen. Um ihn etwas ansehnlicher zu gestalten, wurde der mit allerlei Zierrat geschmückt. Hierin unterschieden sich die Bäume der Ärmeren von denen der Reichen. Bei den Armen blieb der Baum meist kahl. In einem kleinen Ort im Thüringer Wald stießen beide Entwicklungen dann zusammen..
Ein Reisender, der von Meiningen nach Altenburg wollte, geriet in der Nacht vor Weihnachten in Thüringer Wald in einen Schneesturm. Die Wege waren schnell zugeschneit und der Reisende hatte Probleme der Straße zu folgen. Es dauerte nicht lange und er war völlig orientierungslos. Der Schnee hatte alle Wege unkenntlich gemacht. Er befürchtete das Schlimmste. Erschöpft fiel er in den Schnee und begann langsam zu erstarren. Ein armer Glasmacher, der noch einige Scheite Holz für den Ofen holen wollte, fand ihn und nahm ihn mit zu sich nach Hause. Dort tauten sie ihn wieder auf. Als er das Bewusstsein wiedererlangte, war er kaum in der Lage zu sprechen. Die Frau des Glasmachers gab ihm das Brot, dass sie sich für das Weihnachtsfest aufgespart hatten. Am nächsten Morgen konnte er seine Reise fortsetzen. Der Glasmacher wies ihm den Weg. Aus Dankbarkeit bekam er von dem Reisenden ein Kloßrezept in die Hand und ein paar passende Kartoffeln dazu. Außerdem teilte er die Gans, die er mit nach Altenburg nehmen wollte. Der Glasmacher probierte zu Hause das Rezept aus, traute ihm aber nicht so recht. Da er seinen Baum schon aufgestellt hatte, und ihn noch etwas kahl fand, beschloss er, die fertigen Klöße an den Baum zu hängen. Die runden Dinger sahen wirklich gut aus. Der Baum wirkte wesentlich festlicher. Die Frau bereitete die halbe Gans zu und sie freuten sich auf das Festessen. „In der Not schmeckt die Gans auch ohne Brot“ scherzte der Glasmacher zu seiner Frau. Doch satt würden sie über die Festtage von dieser halben Gans wohl nicht werden. So beschlossen sie, es doch einmal mit den Klößen zu probieren. Und tatsächlich: Man konnte sie essen und sie schmeckten gar nicht mal so schlecht zu der Gans. Die Feiertage waren gerettet. Doch der Baum sah wieder etwas ärmlich aus. Der Glasmacher beschloss, von nun an Klöße nur noch zu essen und dafür mal zu probieren, Klöße aus Glas herzustellen und sie an den Weihnachtsbaum zu hängen. Und wie erwartet, sah das gar nicht so schlecht aus. Seine Erfindung machte den Glasmacher reich. Seine ganze Verwandtschaft war in den nächsten Jahren damit beschäftigt, Glaskugeln herzustellen. Sie lebten sehr gut davon. Im Laufe der Jahrhunderte ging das Wissen bei den meisten Nachkommen darüber verloren, dass die Kugeln aus Glas eigentlich Klöße sind. Nur einige Familien pflegen noch die Tradition, zu Weihnachten Klöße an den Baum zu hängen, da sie einer ganzen Region Arbeit und Reichtum gebracht haben.